Mit dem Lied „Scharfe Monster und Mäuse“ von Element of Crime und bekleidet mit einem tarngrünen Trenchcoat begrüßte der Schauspieler Rouven Honnef von TheaterMobileSpiele Karlsruhe am Dienstag, den 14. 12. 2022 die etwa 50 anwesenden Schüler und Schülerinnen der WG 13 in Raum 301 zu der Ein-Mann-Theateraufführung „Woyzeck“.

Mithilfe zahlreicher Requisiten und eines imposanten Bühnenaufbaus nahm der Schauspieler das Publikum mit auf eine Reise in Krieg, Armut, Abhängigkeit und Tod. Der Soldat niederen Ranges Franz Woyzeck irrt kriechend und suchend über ein Schlachtfeld, ihn suchen Angst und Furcht heim. Die Szenerie und die Stimmung deuten auf Stille, Dunkelheit und Tod hin. Woyzeck ist verstört und hat Vorahnungen und Halluzinationen, die auf eine Apokalypse hinweisen, es soll der Verweis auf seinen eigenen Untergang sein.

Diese unheimliche Atmosphäre wird durch eine mechanische Stimme aus dem Nichts, die Woyzecks Verfassung und Zustand kommentiert, verstärkt und unterstrichen. Auch ein unangenehmer Piepston, der Woyzeck an das regelmäßige Verzehren von Erbsen erinnert, ertönt in regelmäßigen Abständen aus dem Hintergrund. Er hat sich verpflichtet, an einem sogenannten, aber einigermaßen gut bezahlten, Erbsen-Experiment teilzunehmen. Er ist zwar somit abhängig von einem arroganten, selbstverliebten, erfolgsorientierten, aber zerstreuten Doktor, der ihn als Versuchskaninchen missbraucht und nur als Studienobjekt sieht, ist aber dadurch finanziell besser gestellt. Da er mit Marie, seiner Lebensgefährtin, einen unehelichen Sohn hat, ist das Geld für das Überleben der kleinen Familie ein großer Segen.

Alle weiteren Figuren, die in Woyzecks Leben eine Rolle spielen und für seinen Zustand und seine Verfassung mitentscheidend sind, sind Marie, der Hauptmann und der Tambourmajor. Sie alle und der zuvor genannte Doktor werden mithilfe von kunstvoll gefertigten Puppen dargestellt. Der Schauspieler Rouven Honnef bedient sie alle selbst und haucht ihnen gekonnt Leben ein.
An Marie hängen auffällig große Ohrringe, die sie vom Tambourmajor geschenkt bekommen hat und die schnell Woyzecks Misstrauen wecken.

Der direkte Vorgesetzte Woyzecks, der Hauptmann, wird als gut genährter, schmieriger Mensch dargestellt, der stets darauf bedacht ist, ethische Diskurse in bilderreicher und metaphorischer Sprache vom Zaun zu brechen, stets unterlegt mit einer kritischen Einstellung gegenüber Woyzeck und seiner Herkunft.

Der direkte Rivale Woyzecks, der Tambourmajor, wird als spanischer Casanova vorgeführt. Er ist mehr als von sich selbst überzeugt, nur triebgesteuert und denkt stets daran, mit Marie so viele kleine Tambourmajore wie möglich zu zeugen. Er hat großen Spaß daran, Woyzeck, wo immer es geht, zu demütigen und zum Gespött der Leute zu machen, um sich über ihn zu erheben und selbst als besser dastehen zu lassen. Marie lässt sich schließlich auf dieses Techtelmechtel ein, träumt sie doch von einem sozialen Aufstieg, den Woyzeck ihr nicht geben kann.

Durch den Krieg, verbunden mit den Vorahnungen und Halluzinationen, durch das weniger nahrhafte Erbsenexperiment, durch die Demütigungen des Hauptmanns und vor allem des Tambourmajors und Marie wird Woyzeck immer verrückter und die Stimmen in seinem Kopf werden zunehmend lauter. Er wird regelmäßig degradiert, ausgenutzt, niedergemacht und allein gelassen. Woyzecks Mord an seiner untreuen Lebensgefährtin Marie und sein sozialer Niedergang sind somit unausweichlich.

In dem sich anschließenden Gespräch beantwortete Rouven Honnef die Fragen der Schüler und Schülerinnen, verriet vieles über sich, seinen Werdegang und die Schauspielerei. Auf die Frage, wie lange eine Theaterausbildung dauere, erklärt er, dass er gerade erst im vergangenen Juli seine dreijährige Ausbildung als Schauspieler beendet habe. Er sei nicht fest angestellt, sondern freiberuflich tätig und habe bis zu zwei Auftritte pro Tag und fünf bis neun pro Woche.

Da ein anderer Schauspieler kurzfristig krank geworden sein, sei ihm die Rolle des Woyzeck zugeteilt worden und er hätte nur zwölf Tage Zeit gehabt, das Stück einzustudieren. Das löste im Publikum natürlich ein anerkennendes Raunen aus.

Auf die Frage „Kommt bei Ihnen privat auch so manches Mal der Woyzeck durch?“ gibt Honnef die Antwort, dass der Rollenwechsel zwischen Theater und Realität ihm oftmals schwerfiele. Und dass eine Faszination für eine Figur nur entstehen könne, wenn man lerne sie zu lieben, egal wie man persönlich zu dieser Figur stehe. Eine weitere Frage war „Wie schafft man es, so viel Text auswendig zu lernen?“ führt Honnef an, dass er während seiner Arbeit an dem Stück und mit den Figuren ihnen eine eigene Körperlichkeit, Stimme und einen eigenen Charakter gegeben und sich somit alles abgespeichert habe. So hätte er sich in sie hineinversetzen und sie schließlich zum Leben erwecken können.
Zu der Schuldfrage Woyzecks sagte Honnef, dass Woyzeck an der Lage, in die er hineingebracht worden sei, nicht schuld sei, da er allein gelassen, ausgenutzt und fertig gemacht worden sei. Aber der Mord an Marie sei der denkbar schlechteste Ausweg gewesen.